Thermische Seewassernutzung

Was ist thermische Seewassernutzung?

Die thermische Seewassernutzung bezeichnet die Gewinnung von Heiz- und Kühlenergie aus der im Wasser gespeicherten thermischen Energie. Mithilfe von Wärmetauschern und – in der Regel – Wärmepumpensystemen wird diese Energie zur Versorgung von Gebäuden, Quartieren oder Industrieanlagen genutzt. Dabei handelt es sich um eine regenerative, emissionsfreie und äußerst effiziente Energiequelle, die sowohl im Sommer als auch im Winter eingesetzt werden kann.

 

Thermische Seewassernutzung See mit kalter und warmer Schicht

Funktionsweise

Seewasser weist in verschiedenen Tiefen unterschiedliche Temperaturen auf. Diese natürlichen Temperaturschichtungen können gezielt für die thermische Seewassernutzung eingesetzt werden:

  • Im Winterbetrieb wird wärmeres Wasser aus mittleren Tiefen entnommen, um es z. B. über Plattenwärmetauscher dem Heizkreislauf zuzuführen.
  • Im Sommerbetrieb erfolgt die Entnahme aus tieferen, kühleren Wasserschichten zur Gebäude- oder Prozesskühlung.

Nach der thermischen Nutzung wird das Wasser temperaturangepasst in einer anderen Tiefe zurückgeführt, um das natürliche Temperaturprofil des Sees so wenig wie möglich zu stören. Die Entnahme- und Rückgabeleitungen sind hydraulisch so abgestimmt, dass der Einfluss auf das Ökosystem minimal bleibt.

Einsatzmöglichkeiten

  • Wohn- und Gewerbequartiere in Gewässernähe
  • Rechenzentren und Industrieanlagen mit hohem Kühl- oder Wärmebedarf
  • Krankenhäuser, Schulen oder Verwaltungsgebäude mit kontinuierlichem Energiebedarf
  • Klimaneutrale Neubaugebiete und Campuslösungen

Vorteile und Eigenschaften

Regenerativer Ansatz: Die Energie stammt aus einer natürlichen, lokal verfügbaren Quelle – ohne direkten Einsatz fossiler Brennstoffe.

Ganzjährige Nutzbarkeit: Sowohl im Sommer als auch im Winter einsetzbar – je nach Temperaturprofil des Gewässers.

Energieeffizienz: Die Nutzung bestehender Temperaturdifferenzen im See kann unter geeigneten Bedingungen effizient erfolgen.

Flächenschonend: Es sind in der Regel keine zusätzlichen Dach- oder Freiflächen erforderlich, da das Gewässer als Energiespeicher dient.

Kombinierbarkeit: Die Technologie lässt sich mit weiteren Systemen wie Wärmepumpen, Solarthermie oder Speichern koppeln.


Technische Besonderheiten

Die thermische Seewassernutzung basiert auf einem System, das gezielt auf die natürlichen Temperaturverhältnisse in einem Gewässer abgestimmt ist. Ein zentrales technisches Merkmal ist der Einsatz unterschiedlicher Betriebszonen für Sommer und Winter, die durch wechselnde Entnahmetiefen realisiert werden. Während in den Sommermonaten kaltes Wasser aus tieferen Schichten zur Kühlung genutzt wird, erfolgt im Winter die Entnahme aus wärmeren, oberflächennahen Bereichen zur Heizungsunterstützung. Die Rückführung des Wassers erfolgt jeweils in der entgegengesetzten Schicht. Durch diesen halbjährlichen Wechsel wird das Temperaturgefälle im See effizient ausgenutzt, ohne die natürlichen Schichtungen dauerhaft zu stören.

Ein weiteres wesentliches Element sind die separaten Ein- und Ausleitungsstränge im Leitungssystem. Diese bilden ein geschlossenes Zirkulationssystem, das eine kontrollierte thermische Nutzung ermöglicht. Durch die klare Trennung von Entnahme- und Rückgabepunkten lassen sich Rückkopplungseffekte vermeiden, wodurch die thermische Effizienz des Systems erhalten bleibt. Gleichzeitig trägt dieses System dazu bei, ökologische Auswirkungen auf das Gewässer zu minimieren, etwa durch die gezielte Steuerung von Volumenströmen und Temperaturspreizungen.

Zum Wärmeaustausch kommen in der Regel Plattenwärmetauscher mit geringer Temperaturspreizung zum Einsatz. Diese ermöglichen eine effektive Übergabe der thermischen Energie vom Seewasser auf ein Sekundärmedium, das anschließend dem Gebäude- oder Quartiersnetz zugeführt wird. Dabei bleibt das Seewasser selbst in einem getrennten Kreislauf und gelangt nicht in das Versorgungssystem.

Die Positionierung der Entnahme- und Rückgabepunkte erfolgt auf Basis limnologischer Untersuchungen. Ziel ist es, die natürliche Temperaturschichtung im See langfristig zu erhalten und die biologischen Prozesse im Gewässer nicht zu beeinträchtigen.


Ökologische Verträglichkeit

Die thermische Seewassernutzung kann unter bestimmten technischen und planerischen Voraussetzungen als umweltschonende Form der Energiegewinnung gelten. Eine zentrale Voraussetzung für die ökologische Verträglichkeit ist die präzise Steuerung von Entnahmemengen und Rückgabetemperaturen. Nur wenn diese Parameter kontrolliert werden, lassen sich nachteilige Einflüsse auf das natürliche Temperaturgefüge des Gewässers vermeiden.

Zudem ist darauf zu achten, dass die Temperaturspreizung – also die Differenz zwischen Entnahme- und Rückgabetemperatur – möglichst gering gehalten wird. Dies reduziert thermische Belastungen im See. Die Rückgabe des Wassers sollte in einer Tiefe erfolgen, die dem ursprünglichen Temperaturniveau entspricht, um Schichtung und Zirkulation im Gewässer nicht zu stören.

Ergänzend sind limnologische Untersuchungen vor und während des Betriebs sinnvoll. Sie dienen dazu, potenzielle Auswirkungen auf das Ökosystem frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls betrieblich anzupassen.

 


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Hinweis: Die thermische Seewassernutzung wird auch als „Seewasserthermie“ bezeichnet.