Schmutzfrachtberechnung

Was ist die Schmutzfrachtberechnung?

Die Schmutzfrachtberechnung ist ein ingenieurtechnisches Verfahren zur quantitativen Ermittlung der stofflichen Belastung von Gewässern, die durch die Einleitung von Abflüssen aus Entwässerungssystemen verursacht wird. Sie bildet eine zentrale Grundlage für die Planung, Bemessung und Bewertung wasserwirtschaftlicher Anlagen im urbanen Raum – insbesondere im Hinblick auf Misch- und Niederschlagswasserabflüsse.

Grafik Schmutzfrachtberechnung und Schmutzfrachtsimulation

Zielsetzung und Hintergrund

Ziel der Schmutzfrachtberechnung ist die rechnerische Bestimmung der jährlich eingetragenen Frachten ausgewählter Bewertungsparameter, die zur Charakterisierung der wasserchemischen Belastung herangezogen werden. Diese Parameter – allen voran der chemische Sauerstoffbedarf (CSB) und die abfiltrierbaren Stoffe mit einem Korndurchmesser < 63 µm (AFS63) – sind keine Substanzen im chemischen Sinne, sondern summarische Kenngrößen, die die potenzielle organische Belastung und die partikuläre Stofffracht abbilden.

Diese Kenngrößen sind in der Technischen Regel DWA-A 102-2 als maßgeblich für die Bewertung von Entlastungen aus Misch- und Trennsystemen in Oberflächengewässer definiert. Das Arbeitsblatt bildet aktuell den allgemein anerkannten Stand der Technik im Hinblick auf die Schmutzfrachtbewertung und hat ältere Regelwerke wie DWA-A 128 und DWA-M 153 weitgehend ersetzt.

Anwendungsgebiete

Die Schmutzfrachtberechnung findet Anwendung bei:

  • der Bemessung und Nachweisführung für Regenwasserbehandlungsanlagen
  • der Bewertung von Entlastungsbauwerken in Mischwassersystemen
  • wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren
  • der Erstellung und Fortschreibung von Generalentwässerungsplänen
  • der Maßnahmenplanung im Rahmen der Gewässerentwicklung und Siedlungsentwässerung

Sie ist sowohl für Neuplanungen als auch für Bestandsbewertungen von Bedeutung.

Methodik

Die Schmutzfrachtberechnung basiert auf einem Zusammenspiel aus verschiedenen Datengrundlagen und Modellen. Grundlage bildet zumeist eine langjährige Niederschlagszeitreihe – entweder synthetisch generiert oder aus Messdaten gewonnen. Diese Zeitreihen dienen als meteorologische Eingangsgröße für die Simulation von Abflüssen und Stofftransporten.

Zur Abbildung des Kanalnetzes und der Entwässerungsinfrastruktur werden hydrodynamische Modelle eingesetzt, die den Abfluss und die Rückhaltevorgänge im System dynamisch simulieren. Gleichzeitig werden spezifische Einzugsgebietsparameter berücksichtigt, darunter Flächennutzung, Versiegelungsgrad und die zugeordneten Schmutzfrachtansätze.

Ergänzend fließen relevante Bauwerksdaten – wie Rückhaltevolumina, Drosselorgane und Entlastungsbauwerke – sowie topografische Rahmenbedingungen in das Modell ein. Ziel ist eine realitätsnahe Nachbildung des Gesamtsystems unter Berücksichtigung standortspezifischer Besonderheiten.

Je nach Fragestellung kann die Simulation auf repräsentativen Einzelereignissen oder Langzeitreihen beruhen. In der Regel wird eine Langzeitsimulation über mindestens 15 Jahre angestrebt. Die Modelle differenzieren dabei zwischen Trockenwetter- und Regenwetterabflüssen sowie zwischen verschiedenen Entwässerungssystemen (Misch- oder Trennsystem).

Software und Modelle

Die Schmutzfrachtberechnung wird in der Praxis überwiegend modellgestützt durchgeführt. Zum Einsatz kommen dabei Softwarelösungen, die auf fachlich anerkannten Modellansätzen beruhen und die hydrologischen, hydraulischen und stofflichen Prozesse in Entwässerungssystemen rechnerisch abbilden. Ziel ist die möglichst realitätsnahe Simulation der stofflichen Belastung von Gewässern durch Regenwetterabflüsse über definierte Bemessungszeiträume.

Ein anerkannter Modellansatz ist das vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) entwickelte SMUSI (Schmutzfrachtsimulationsmodell für Misch- und Trennsysteme). SMUSI ist ein regelwerkskonformer Berechnungsansatz, der methodisch die Simulation von Schmutzfrachten unter Berücksichtigung hydraulischer und stofflicher Kenngrößen beschreibt. Er bildet die Grundlage für verschiedene Softwarelösungen, unter anderem für die Anwendung MOMENT, entwickelt von der BGS Wasser GmbH.

MOMENT ist eine praxisorientierte Software zur Schmutzfrachtberechnung nach dem SMUSI-Modellansatz und unterstützt die vollständige Nachweisführung gemäß den Vorgaben der DWA-A 102. Die Anwendung wird insbesondere zur Bemessung und Bewertung von Regenwasserbehandlungsanlagen eingesetzt.

Weitere etablierte Softwarelösungen zur Schmutzfracht- und Netzsimulation in Deutschland sind beispielsweise:

  • HYSTEM-EXTRAN – Hydrodynamisches Kanalnetzmodell mit Schmutzfrachtmodul
  • InfoWorks ICM – Modellierungsplattform für Kanalnetz, Gewässer und Kläranlagen
  • KOSIM – Langzeitbemessungsmodell für Regenwasserbehandlung
  • Mike+ / Mike Urban+ – Modulare Umgebung zur hydraulischen und stofflichen Simulation
  • STORM – Software zur Berechnung von Regenwetterabflüssen und Stofffrachten

Die Wahl der geeigneten Software hängt von Projektziel, Modellanforderung, Datenlage und regulatorischen Rahmenbedingungen ab. Neben der grundsätzlichen Funktionalität spielen auch Schnittstellen zu bestehenden Modellumgebungen, die Qualität der Dokumentation sowie die Transparenz der Berechnungsverfahren eine Rolle. Eine belastbare Schmutzfrachtberechnung setzt fundierte Eingangsdaten, eine fachgerechte Anwendung des zugrunde liegenden Modellansatzes sowie ingenieurtechnische Erfahrung bei der Ergebnisbewertung voraus. Nur unter diesen Voraussetzungen lassen sich aussagekräftige, genehmigungsfähige und nachvollziehbare Simulationsergebnisse erzielen.


Link zum Artikel der Stadtentwässerung Stuttgart

Hinweis: Schmutzfrachtberechnung wird auch Schmutzfrachtsimulation genannt.

Zentrum für Datenschutzpräferenzen